Co-Creation in der unternehmerischen Praxis: KI gemeinsam auf Augenhöhe implementieren
Wie kann Künstliche Intelligenz (KI) erfolgreich in der betrieblichen Praxis eingesetzt werden? So, dass die Transformation nicht nur einen nachhaltigen Mehrwert für das Unternehmen, sondern auch für die Gesellschaft haben kann. Dieser Anspruch erfordert eine ganzheitliche Betrachtung von Wirtschaft, Mensch und Gesellschaft und damit das Einbinden vielfältiger Perspektiven und eine enge Zusammenarbeit beteiligter Akteure – ganz konkret bei der Einführung von KI in Betrieben und allgemein gesehen beim Gestalten der Arbeitswelt der Zukunft mit KI. Keine einfache Aufgabe in einem sich rasant verändernden und kaum vorhersehbaren Umfeld der technologischen Entwicklung.
KI-Implementierung als interdisziplinärer “Teamsport” braucht eine gute Form der Zusammenarbeit. Dieser Policy Brief stellt das Konzept der „Co-Creation“ als einen vielversprechenden Ansatz vor, um KI gemeinsam mit relevanten Stakeholdern auf Augenhöhe in die betriebliche Praxis zu integrieren. Dabei werden zentrale Kern- und Qualitätsmerkmale von Co-Creation herausgestellt. Auf Grundlage von qualitativen Interviews mit Vertreter:innen aus unterschiedlichen deutschen Unternehmen wird ein Blick in die Praxis geworfen. Es zeigt sich: Einige Aspekte von Co-Creation sind in KI-Projekten bereits weit verbreitet. Andere bleiben noch ungenutzt.
Was bedeutet Co-Creation?
Co-Creation wird als Multi-Stakeholder-Prozess verstanden, bei dem verschiedene Akteure durch kollektive Kreativität und Intelligenz ein bestimmtes Potential heben oder eine spezifische Herausforderung lösen, zu der es bisher keine (vollständige) Lösung gibt. Es handelt sich demnach um eine intensive und schöpferische Form von Partizipation, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten die Kooperation oder Kollaboration von Stakeholdern braucht.
Folgende Eigenschaften werden als grundlegende, unverzichtbare Kernmerkmale von Co-Creation herausgestellt:
Stakeholder-Partizipation: Beteiligung verschiedener Stakeholder in verschiedenen Formen
- Co-Creation benötigt einen besonders hohen Partizipationsgrad, im Sinne von interdisziplinärer Zusammenarbeit und gemeinschaftlicher Lösungsentwicklung
Shared Value:
- Im Zentrum von Co-Creation steht die gemeinsame Entwicklung eines Wertes, den alle Beteiligten gemeinsam kreieren und von dem auch alle Beteiligten in irgendeiner Form profitieren
Als Qualitätsmerkmale, die Co-Creation erfolgreich machen wurden diese Eigenschaften identifziert:
Augenhöhe:
- Rollen und Machtverhältnisse sind so verteilt, dass sich alle Stakeholder einbringen können und wollen.
- Kollaborative Werkzeuge und Methoden zur Entscheidungsfindung können dabei Status und Hierarchie ablösen.
- Die Zusammenarbeit basiert auf den Werten Empathie und Transparenz.
- Durch freien Informationszugang und Perspektivwechsel kann jede Einzelne ihren bestmöglichen Beitrag leisten.
Prototyping: Co-Creation hat ein starkes kreatives Element, das von gemeinsamem Denken, Ausprobieren, Scheitern, Neu-Versuchen lebt
- Die Menschen im ko-kreativen Prozess sind aktiv eingeladen zu lernen: iterativen Schleifen, Feedbacks und Reflexionsmomente sorgen für kontinuierliche Verbesserung. Dafür braucht es viel Flexibilität und Anpassungsfähigkeit.
Die Interviews zeigen, dass Partizipation, also die Einbindung zahlreicher Expert:innen und Stakeholder in der betrieblichen Praxis mittlerweile selbstverständlich sind. Die Ausprägung anderer ko-kreativen Qualitäten unterscheiden sich je nach organisationskulturellen Entwicklung in Richtung Agilität, der Branche, Unternehmensgröße und der handelnden wie leitenden Personen. Im Brief werden diese Unterschiede genauer beschrieben.
Der Brief kurz zusammengefasst:
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Das methodische Konzept der Co-Creation bringt verschiedene Stakeholder zur nutzerzentrierten Lösungsfindung zusammen und ermöglicht es, diese Herausforderungen im Kollektiv anzugehen. Co-Creation wird als geeigneter Ansatz für die Implementierung von KI in der betrieblichen Praxis vorgeschlagen, da Mehrperspektivität und interdisziplinäre Expertisen zu höherer Qualität und Akzeptanz von KI-Lösungen führen können. Dadurch entsteht das Potential, neben dem betriebswirtschaftlichen Nutzen auch den menschlichen und gesellschaftlichen Mehrwert zu erhöhen.
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Qualitative Interviews mit Vertreter:innen aus unterschiedlichen deutschen Unternehmen zeigen, dass ko-kreative Ansätze bei der Implementierung von KI in die berufliche Praxis bereits genutzt werden. Diese beschränken sich jedoch zum Teil auf einfache Formen der Partizipation und Kommunikation. Darüber hinaus gehende Kernmerkmale von Co-Creation, wie die frühzeitige Einbindung unterschiedlicher Stakeholder und die Entwicklung gemeinsamer Lösungen, sind nicht immer erfüllt.
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Die Interviews zeigen, dass wichtige Qualitätsmerkmale für gelungene Co-Creation, wie die Augenhöhe in der Zusammenarbeit und das mutige Ausprobieren neuer Ansätze- hierarchiearme Räume und die Entwicklung von Sprechfähigkeit bzw. Grundlagenkompetenz zu KI (AI Literacy) brauchen. Alle Praktiker:innen empfehlen zudem kleinschrittiges, kreatives Prototyping, um im KI-Implementierungsprozess zu lernen. Ein weiterer Gelingensfaktor ist die Gestaltung einer Unternehmenskultur, die interdisziplinäre, agile Zusammenarbeit aktiv fördert.
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Die gesellschaftlichen Auswirkungen, die KI mit sich bringt, finden bei der individuell unternehmerischen KI-Implementierung noch wenig Aufmerksamkeit. Die Gespräche lassen darauf schließen, dass der Fokus stärker auf der betriebswirtschaftlichen und menschenzentrierten Prozessgestaltung liegt und dass es noch wenig Einbezug gemeinwohlorientierter Perspektiven gibt.
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Aufgrund der raschen technologischen Entwicklungen ist anzunehmen, dass KI-Implementierung in Zukunft noch stärker transformative Auswirkungen auf die organisationale Realität haben wird. Co-Creation wird in diesem Szenario noch relevanter, da die umfangreiche Veränderung von Rollen, Entscheidungen, Arbeitsweisen und Zusammenarbeit eine gemeinsame Gestaltung aller Beteiligten braucht.