Moderne digitale Technologien können einige menschliche Tätigkeiten ersetzen und schaffen gleichzeitig neue Tätigkeiten. Damit verändern sie die Nachfrage nach bestimmten Kompetenzen auf dem Arbeitsmarkt. Die rasante Entwicklung generativer Künstlicher Intelligenz – insbesondere durch Anwendungen wie ChatGPT – hat die Diskussion über die Auswirkungen von KI auf den Arbeitsmarkt deutlich intensiviert, sowohl in der Wissenschaft als auch in der öffentlichen und politischen Debatte.
Zentrale Fragestellungen in der Wissenschaft sind unter anderem:
- Wächst die Arbeitsnachfrage nach KI-Kompetenzen auch auf dem deutschen Arbeitsmarkt?
- Führt die steigende Nachfrage nach KI-Kompetenzen dazu, dass andere Kompetenzen – bei niedrig-, mittel- und hochqualifizierten Arbeitskräften – weniger gefragt sind?
Der 10. ai:conomics Policy Brief beschreibt, wie im Rahmen des laufenden Forschungsprojekts eine belastbare Datengrundlage geschaffen wird, um zukünftig fundierte Aussagen über die Auswirkungen von KI auf Kompetenznachfrage und -angebot zu ermöglichen. Er stellt den aktuellen Stand der Entwicklung des Datensatzes vor, der Online-Stellenanzeigen mit administrativen Registerdaten von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verknüpft. Zudem wird aufgezeigt, welche Forschungslücken durch diese innovative Datenbasis künftig geschlossen werden können und welche neuen Erkenntnisse das ai:conomics-Team bereits gewonnen hat.
Bisheriges Vorgehen, Herausforderungen und der Ansatzpunkt des ai:conomics Projekts
Einige aktuelle Studien (Bessen et al., 2023; Gonschor und Storm, 2023; Babina et al., 2024, 2023; Alekseeva et al., 2021; Acemoglu et al., 2022) messen die Auswirkungen von KI auf den Arbeitsmarkt mithilfe von Online-Stellenanzeigen, da diese eine nahezu in Echtzeit verfügbare und zukunftsgerichtete Datenquelle zur Messung der Arbeitsnachfrage bieten. Die Herausforderung bei diesem Vorgehen besteht jedoch darin, dass In vielen Ländern die Verknüpfung solcher Daten mit individuellen Arbeitsmarktdaten schwierig ist.
Einige europäische Studien konnten dieses Problem umgehen, indem sie die Tatsache nutzen, dass öffentliche Arbeitsagenturen in einigen Ländern Unternehmen bei der Veröffentlichung von Stellenanzeigen unterstützen. Auf diese Weise konnten Forschende die Informationen aus diesen Stellenanzeigen mit Arbeitsmarktdaten aus Sozialversicherungsregistern kombinieren, da sowohl die Sozialversicherungsregister als auch die Stellenanzeigen in die administrativen Prozesse der- selben öffentlichen Dienstleister integriert sind. Doch auch dieses Vorgehen bringt Herausforderungen mit sich: Unternehmen sind nicht verpflichtet, die Arbeitgeberdienste öffentlicher Arbeitsagenturen in Anspruch zu nehmen. Zudem werden hier Jobs, die hohes Qualifikationsniveau voraussetzen oft nicht miterfasst- das ist relevant, da die Forschung zeigt, dass KI hochqualifizierte Jobs in besonderem Maße betrifft.
An dieser Stelle setzt ai:conomics an: das Forschungsteam aus dem IAB Nürnberg, dem ROA Maastricht, der FAU Nürnberg, dem IWH Halle und der Stanford University kombiniert erstmals umfassend private Online-Stellenanzeigen des Anbieters Lightcast mit den Registerdaten der deutschen Sozialversicherung. Der Vorteil der Nutzung von Online-Stellenanzeigen im Vergleich zu den von Arbeitsagenturen bereitgestellten Daten liegt darin, dass die Lightcast-Daten aus zahlreichen Websites aggregiert werden. Dies ermöglicht einen detaillierteren Überblick über die Struktur offener Stellen auf dem deutschen Arbeitsmarkt und somit genauere Aussagen zu den Auswirkungen von KI auf unterschiedliche Qualifikationsniveaus und Branchen.